Mit einem bun­des­wei­ten Netz­werk von Gesund­heits­ein­rich­tun­gen will Lil­li­an Care die haus­ärzt­li­che Ver­sor­gung in unter­ver­sorg­ten Gebie­ten sichern. Der änd hat mit Grün­der Linus Drop über das Kon­zept gespro­chen.

Herr Drop, kön­nen Sie mir kurz erläu­tern, was genau Sie mit Lil­li­an Care pla­nen?

Das Kon­zept fußt auf zwei Kom­po­nen­ten: Wir eröff­nen all­ge­mein­me­di­zi­ni­sche Pra­xen in unter­ver­sorg­ten Regio­nen. Die sehen für den Pati­en­ten aus wie ganz nor­ma­le Arzt­pra­xen. Innen drin sind sie aber anders orga­ni­siert. Das eine ist, dass unse­re Ärz­tin­nen und Ärz­te nicht fünf Tage die Woche in der Pra­xis vor Ort sind, son­dern tage­wei­se auch von zu Hau­se per Tele­me­di­zin zuge­schal­tet sind.

Die Ärz­tin­nen und Ärz­te sind ja viel­fach nicht mehr bereit, in die­se unter­ver­sorg­ten Regio­nen umzu­zie­hen. Wir wol­len es mög­lich machen, All­ge­mein­me­di­zin in der Land­arzt­pra­xis zu betrei­ben, ohne den Lebens­mit­tel­punkt der Fami­lie dort­hin ver­le­gen zu müs­sen.

Das zwei­te ist die Arbeits­ver­tei­lung. Wir haben zu wenig Ärz­te ins­ge­samt, wir brau­chen also eine ande­re Arbeits­ver­tei­lung inner­halb so einer Pra­xis. Da set­zen wir auf ein Behand­ler­team, in dem wesent­li­che Tei­le der Behand­lung von nicht­ärzt­li­chem Per­so­nal erbracht wer­den. Bei uns wer­den das vor allem Phy­si­ci­an Assistants sein, es kön­nen aber auch Com­mu­ni­ty Health Nur­ses wer­den in Zukunft. Das ist das, was man in vie­len ande­ren Län­dern — Skan­di­na­vi­en, UK, USA — schon lan­ge prak­ti­ziert. Die kom­ple­xen Fäl­le lan­den beim Arzt, die ein­fa­che­ren bei den Nur­ses – und die Out­co­mes sind gleich­wer­tig oder bes­ser als bei uns.

Wir machen es aber so, dass die Ärz­te in der Gesamt­ver­ant­wor­tung blei­ben im Rah­men einer Super­vi­si­on. Wir woll­ten bewusst weg von Begrif­fen wie Sub­sti­tu­ti­on und Dele­ga­ti­on, weil die­se Ter­mi­no­lo­gien reflex­ar­tig eine Mei­nung aus­lö­sen. Und das, was wir machen, ist ja auch etwas dazwi­schen. Eine Ärz­tin, ein Arzt ist bei uns in jede Behand­lung invol­viert. Es soll eine Balan­ce gefun­den wer­den: Es wird mög­lichst viel abge­ge­ben, aber der Arzt ist den­noch invol­viert – aber ein­fach zeit­lich wesent­lich kür­zer. Er kann aber jeder­zeit ein­grei­fen.

Sie orga­ni­sie­ren das Gan­ze als MVZ. Wie groß wer­den die ein­zel­nen Stand­or­te sein?

Ja, es ist ein MVZ, wir kön­nen das nicht anders orga­ni­sie­ren. Aber die Ärz­te kön­nen auch Gesell­schaf­ter wer­den. Wir wol­len, dass die Ärz­te nicht „nur“ Ange­stell­te sind, son­dern auch Teil­ha­ber des gro­ßen Gan­zen. Das ist eine Opti­on, die Ärz­te müs­sen das nicht machen, wir bie­ten es aber jedem an.

Es geht auch nicht dar­um, dass die Ärz­te viel Kapi­tal mit­brin­gen müs­sen. Für den Anschub sind wir klas­sisch inves­to­ren­fi­nan­ziert. Um das alles ins Rol­len zu brin­gen, haben wir das Kapi­tal orga­ni­siert. Es geht uns mehr dar­um, dass die Ärz­te mehr mit­ent­schei­den und um das Com­mit­ment.

Von der Grö­ße her ist die Pra­xis an zwei Ärz­ten ori­en­tiert, was das Pati­en­ten­vo­lu­men angeht. Aber die Auf­tei­lung wird anders sein: Ein Arzt oder eine Ärz­tin und 1,2 Voll­zeit­stel­len für Phy­si­ci­an Assistants oder ähn­li­ches. Es wer­den eher klei­ne Ein­hei­ten sein, weil die Ort­schaf­ten, in die wir gehen wol­len, eher klei­ner sein.

Alles Admi­nis­tra­ti­ve zen­tra­li­sie­ren wir kom­plett, das wol­len wir aus den Pra­xen raus­hal­ten. Denn vor Ort soll der Fokus wirk­lich auf der Behand­lung lie­gen.

Sie wol­len sich aus­schließ­lich auf unter­ver­sorg­te Regio­nen kon­zen­trie­ren?

Ja. Wir wol­len wirk­lich Pro­ble­me lösen und nicht in Städ­ten, wo die Situa­ti­on gut ist, als wei­te­rer Play­er rein­ge­hen und irgend­wel­che Rosi­nen picken.

Haben Sie nur Haus- oder auch Fach­ärz­te im Blick?

Es ist zunächst aus­schließ­lich haus­ärzt­lich gedacht. In der Per­spek­ti­ve kann man sich natür­lich vor­stel­len, wenn so eine Struk­tur geschaf­fen ist, dass man dann tage­wei­se Fach­ärz­te zuschal­tet. Das wür­den wir aber dann mit Part­nern ver­wirk­li­chen – wir wol­len uns wirk­lich auf die All­ge­mein­me­di­zin fokus­sie­ren.

Wel­che Rol­le spielt die HzV für Ihre geplan­ten Pra­xen?

Haus­arzt­zen­trier­te Ver­sor­gung ist für uns auf jeden Fall ein wich­ti­ger Punkt. Wir gehen davon aus, dass unse­re Pra­xen das nut­zen.

Wo genau star­ten Sie mit ihren Pra­xen?

Ins­ge­samt gucken wir bun­des­weit. Wir star­ten mit den ers­ten Pra­xen in Rhein­­land-Pfalz – ganz bewusst dort und nicht in der Ucker­mark oder Bran­den­burg, um zu zei­gen: Das ist kein rei­nes Ost-Pro­­blem, das ist kein Pro­blem, das nur weni­ge Bun­des­län­der betrifft.

Dann wer­den wir in der Regi­on um Osna­brück aktiv wer­den. Die Regi­on Osna­brück ist über eine Betei­li­gungs­ge­sell­schaft auch einer unse­rer Gesell­schaf­ter, da haben wir eine gro­ße Unter­stüt­zung von allen Sei­ten.

Mit hoher Wahr­schein­lich­keit wer­den wir dann auch in Wes­t­­fa­­len-Lip­­pe aktiv wer­den. Wir sind dort aktu­ell mit zwei Land­krei­sen in Gesprä­chen. Für uns ist natür­lich auch das Pro­jekt der KVWL zu Phy­si­ci­an Assistants inter­es­sant. Da pas­sen wir super rein.

Wie weit sind die Pla­nun­gen?

Ende die­ses Jah­res oder Anfang nächs­ten Jah­res sol­len die ers­ten vier Ein­hei­ten aktiv sein – das hängt jetzt vor allem an Miet­ver­trä­gen.

War es nicht schwie­rig, Per­so­nal zu fin­den?

Was MFA und Phy­si­ci­an Assi­sants anbe­langt, haben wir eine ech­te Luxus­si­tua­ti­on. Wir haben so vie­le Bewer­bun­gen erhal­ten, dass wir uns aus den vie­len guten die bes­ten aus­su­chen kön­nen. Und die müs­sen ja nun wirk­lich fünf Tage die Woche in der Pra­xis vor Ort sein. Wir haben ein­fach für die etwas, was sie inter­es­siert: Mehr in die Ver­ant­wor­tung zu gehen und sicht­ba­rer zu sein. Natür­lich bezah­len wir auch ver­nünf­tig.

Bei den Ärz­tin­nen und Ärz­ten sind wir auch sehr zufrie­den. Wir haben für alle Stand­or­te drei, vier Inter­es­sen­ten.

Es ist schon toll, dass es so viel Inter­es­se gab, obwohl die­ser Markt so eng ist. Das gibt uns Rücken­wind. Denn ohne Ärz­tin­nen, Ärz­te und nicht­ärzt­li­ches Per­so­nal kann man sich viel aus­den­ken, aber nichts machen.

Wie vie­le Pra­xen pla­nen Sie lang­fris­tig?

Sehr lang­fris­tig, wenn man auf die 2030er Jah­re blickt, gehen wir von meh­re­ren 100 Pra­xen aus, die wir anstre­ben. Aber wenn man sieht, dass 11.500 Pra­xen feh­len wer­den, sind auch 100 Pra­xen von Lil­li­an Care nur ein Trop­fen auf den hei­ßen Stein. Wir kön­nen das Pro­blem allei­ne nicht lösen – des­we­gen sehen wir uns auch gar nicht als Kon­kur­renz zu ande­ren Unter­neh­men oder ande­ren Ärz­ten. Es braucht wirk­lich jeden, der sich was ein­fal­len lässt, um das Pro­blem Unter­ver­sor­gung zu lösen.

Ande­re MVZ schei­tern, weil der Betrieb nicht wirt­schaft­lich ist. War­um wird das bei Ihnen anders?

Da hört man sehr unter­schied­li­ches. Natür­lich ist die Arbeits­zeit und auch die Tak­tung inner­halb der Arbeits­zeit bei Selbst­stän­di­gen anders als bei Ange­stell­ten. Das ist unab­hän­gig vom Berufs­feld. Unser Ansatz: Wir wol­len bei­des mit­ein­an­der ver­bin­den, die Vor­tei­le des Ange­stellt­s­eins und die Mög­lich­kei­ten als Unter­neh­mer. Das ist ja auch das, was vie­le Ärz­tin­nen und Ärz­te wol­len: Nicht die wirt­schaft­li­che Gesamt­ver­ant­wor­tung und das Risi­ko allei­ne tra­gen, aber trotz­dem ein Unter­neh­men mit­zu­ge­stal­ten.

Wir brau­chen natür­lich moti­vier­te Team­play­er in unse­ren Pra­xen. Ich bin opti­mis­tisch, dass wir ein gut funk­tio­nie­ren­des und sich natür­lich am Ende auch wirt­schaft­lich tra­gen­des Gesamt­un­ter­neh­men schaf­fen.

Die Pro­ble­ma­tik ist ja allen bewusst, KVen, Kam­mern – vor allem den Kom­mu­nen, die sind zum Teil rich­tig im Alarm­mo­dus. Ich neh­me bei allen eine hohe Bereit­schaft wahr, mit den Spiel­re­geln der Regu­la­to­rik so fle­xi­bel umzu­ge­hen, dass wir da etwas eta­blie­ren kön­nen. In den Digi­tal­ge­set­zen sind ja auch Erleich­te­run­gen vor­ge­se­hen, was die Tele­me­di­zin anbe­langt.

Wie ist über­haupt die Idee zu Lil­li­an Care ent­stan­den?

Ich bin ja die letz­ten 20 Jah­re im Bereich Tele­me­di­zin unter­wegs und total begeis­tert, was man damit machen kann. Ich weiß aber auch, was die Limi­tie­run­gen sind. Eine rei­ne Fern­be­hand­lung kann heu­te — lei­der — nur rela­tiv wenig Fäl­le abschlie­ßend lösen. Das löst das Pro­blem, dass wir zu wenig Ärz­te haben, nur ein wenig, aber nicht kom­plett.

Mit dem Bun­des­ver­band Mana­ged Care war ich dann mehr­fach auf Stu­di­en­rei­sen in ande­re Län­der – und über­all ist die Rol­len­ver­tei­lung zwi­schen Ärz­ten und Nur­ses eine ganz ande­re als bei uns. Das war dann der zwei­te Teil der Idee.

Mei­ne bei­den Mit­strei­ter ken­ne ich schon län­ger. Flo­ri­an Fuhr­mann war lan­ge bei kv.digital und kennt die Tech­no­lo­gie­sei­te per­fekt. Mar­kus Lies­mann ist bei uns für den ope­ra­ti­ven Bereich zustän­dig. Er hat deutsch­land­weit Wund­zen­tren eta­bliert – da geht es ja auch um ein Fili­al­kon­zept und die Zusam­men­ar­beit von Ärz­ten und nicht­ärzt­li­chem Per­so­nal.

Wir brin­gen also alle drei Erfah­rung mit. Sonst stellt man sich unter Start-Up-Unter­­neh­­mern ja eher Mitt­zwan­zi­ger vor. Wir sind so eine Art sil­ver foun­der. In die­sem stark regu­lier­ten Feld sind Erfah­run­gen aber auch wich­tig. Da kommt man mit purer Moti­va­ti­on nicht so weit, da muss man wis­sen, wo die Fall­stri­cke lie­gen.

© änd Ärz­te­nach­rich­ten­dienst Ver­­lags-AG
Quel­le: https://www.aend.de/article/225035